Johnny Marr und „Fever Dreams Pt 2“: Nostalgische Träume
09.01.2022 | Steffen Schindler
Trotz der stückweisen Veröffentlichung sind die „Fever Dreams“ ganz klassisch bei einem einzigen Studioaufenthalt entstanden. Das Album soll laut Pressetext Einflüsse aus allen Schaffensphasen des ehemaligen Smiths-Gitarristen versammeln. Auf „Pt 1“ war das nur wenig herausgearbeitet und der Electronica-Einfluss überwog, „Pt 2“ hingegen wirkt deutlich diverser.
Zwar verzichtet Marr auch hier nicht auf Synthies und Drumcomputer, aber nur bei „Sensory Street“ stehen sie im Mittelpunkt. Thematisch ist das passend, denn der Song erzählt von einer durchtanzten Nacht im „strange heaven“ eines Clubs.
Zusammen mit „Sensory Street“ wurde „Tenement Time“ zuvor als Single veröffentlicht und stellt Marrs Entwurf von Power-Pop dar: Ein eingängiges Riff und eine simple Akkordfolge bilden die Grundlage für einen nostalgischen Blick in die Vergangenheit.
Aggressiver geht es bei „Hideaway Girl“ zur Sache, aber auch die verzerrte Gitarre bietet keine Antworten auf die verzweifelten Fragen des lyrischen Ichs. „Lightning People“ wiederum versucht der Einsamkeit und Vereinzelung den Entwurf eines geschwisterlichen „Glam Gospels“, wie Marr es nennt, entgegenzusetzen. Unterstützt wird er dabei von der US-amerikanischen Singer-Songwriterin Meredith Sheldon, die gemeinsam mit Marrs üblicher Backing-Band den Song zwischen intim-minimalistischen und ausschweifend-choralen Parts chargieren lässt.
Überhaupt hat Johnny Marr den selbst produzierten „Fever Dreams“-EPs ein sehr breites Klangbild verpasst, das fast alle Tracks mit Synthie- und Gitarrenflächen unterlegt und die Zusammengehörigkeit der bisher veröffentlichen Teile hörbar macht – auch wenn „Pt 2“ das interessantere Hörerlebnis ist.
Wertung
Mit „Fever Dreams Pt 2“ gelingt Johnny Marr eine abwechslungsreiche EP, die bekannte Elemente aufnimmt und neugierig auf das zugehörige Album macht, das im Februar erscheinen wird.
Steffen Schindler
Steffen dankt Nirvana dafür, dass sie die Jugend auf dem Dorf erträglich gemacht haben. Seitdem ist er dem Klang der elektrischen Gitarre verfallen. Mittlerweile studiert er in Berlin Geschichte und Kulturwissenschaft.